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Früher war alles ganz einfach, zumindest bei den Schaltungen am Rennrad. Die „Heldenkurbel“ hatte zwei Kettenblätter mit 53 und 39 Zähnen, die Kassette hatte Ritzel mit 11 bis 21 Zähnen. So einfach – und so schlecht für jeden Freizeit-Sportler, denn so eine Übersetzung treten eigentlich nur Profis mit Anstand über die Berge.

Heute gibt es viele verschiedene Kettenblatt-Kombinationen und Kassetten, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Rennradfahrern zugeschnitten sind – vom Hobbyradler bis zum Profi. Aber diese große Auswahl kann auch überfordern. Viele fragen sich: Welche Übersetzung brauche ich eigentlich? Wobei sich davor vielleicht erstmal die Frage stellt: Übersetzung, was ist das eigentlich genau?

Übersetzung an einer Rennrad-Schaltung: Eine kurze Definition

Als Übersetzung bezeichnet man das Verhältnis der Zähne am Kettenblatt zu denen am Ritzel. Da bei Kettenschaltungen das Kettenblatt grundsätzlich mehr Zähne als das Ritzel hat, spricht man von einer Übersetzung (im Gegensatz zur Untersetzung). Das Hinterrad dreht sich also immer schneller als die Kurbel. Die Kombination aus der Anzahl der Zähne am Kettenblatt und an der Kassette entscheidet, wie schwer - oder leicht - man treten muss. Das Übersetzungsverhältnis bestimmt die benötigte Kraft bei einer bestimmten Trittfrequenz. Bei der eingangs erwähnten Heldenkurbel wäre die schwerste Übersetzung 53 Zähne : 11 Zähne, also 4,82:1, die leichteste Übersetzung 39Z:21Z, also 1,85:1. 

Vereinfacht kann man sagen: Je größer das Kettenblatt an der Kurbel und je kleiner der Zahnkranz an der Kassette, um so schwerer ist die Übersetzung, es ist also viel Kraft nötig. Im Umkehrschluss bedeutet ein kleines Kettenblatt und ein großer  Zahnkranz an der Kassette eine leichtere Übersetzung, bei der weniger Kraft nötig ist. In Kombination mit dem Umfang des Reifens kannst du für jeden Gang die entsprechende Entfaltung pro Kurbelumdrehung berechnen, dazu später mehr.

Welche Übersetzungen gibt es am Rennrad?

Bei den Rennrad-Gruppen von SHIMANO gibt es bei den Kettenblättern drei Optionen: 

Die Standard-Kurbel mit 53/39 Zähnen an den Kettenblättern, bei der aktuellen Version der Top-Gruppe Dura-Ace R9200 besitzt die Standard-Kurbel 54/40 Zähne. Das ist die Kettenblattkombination für Profis und starke Hobby-¬Rennfahrer, die über¬wiegend im Flachland unterwegs sind oder mit viel Kraft pedalieren können.

Als Alternative für Hobby-Fahrer hat sich vor gut zehn Jahren die Kompakt-Kurbel etabliert, mit 50/34 Zähnen an den Kettenblättern erlaubt sie höhere Trittfrequenzen und Touren im Hochgebirge auch für schwächere Fahrer. 

Dazwischen steht als dritte Möglichkeit Semi-Kompakt (oder Mid-Compact) zur Wahl - mit 52/36 Zähnen eignen sich ihre Kettenblätter für trainierte ¬Hobby-Rennfahrer, die in flachem bis hügeligem Gelände unterwegs sind.

Doch die Kettenblätter an der Kurbel sind nur ein Teil der Kettenschaltung, sie geben quasi die grundsätzliche Ausrichtung vor: Je größer die beiden Kettenblätter, um so kraftvoller und ambitionierter ist man grundsätzlich unterwegs. Die Übersetzungsmöglichkeiten ergeben sich erst aus der dazu gewählten Kassette. 

Bei der DURA-ACE R9200 mit zwölf Ritzeln stehen die Abstufungen 11-30 und 11-34 zur Wahl, bei der ULTEGRA R8100, ebenfalls mit 12 Ritzeln, 11-30 und 11-34. Die SHIMANO 105 (R7000) mit 11 Ritzeln bietet Kassetten mit 11-28, 11-30, 11-32, 11-34, 12-25 zur Wahl. Die Gruppen Tiagra mit 10 Ritzeln und Sora mit 9 Ritzeln bieten ebenfalls zahlreiche Optionen bei den Kassetten.

Wie finde ich heraus, welche Übersetzungen ich brauche?

Die Trittfrequenz ist auf dem Rennrad entscheidend: Gleichmäßiges, möglichst lockeres Treten spart Kraft und erhöht die Reichweite. Eine Trittfrequenz, die zwischen 85 und bis zu 110 Umdrehungen pro Minute liegt, gilt als die perfekte Drehzahl, um auch nach vielen Kilometern frisch und locker zu bleiben. Bei der Auswahl der passenden Übersetzung entscheiden zwei Faktoren: Topografie und Kadenzn (Trittfrequenz), beziehungsweise Kraft. 

Um herauszufinden, welche Kettenblätter und welche Abstufung der Kassette zu meinem Fahrstil am besten passt, gilt es also, zwei Fragen zu beantworten: Wo fahre ich, und wie fahre ich?

Wer eher kraftvoll mit niedriger Trittfrequenz und eher im flachen Gelände unterwegs ist, wählt eine Kurbel mit größeren Kettenblättern und eine Kassette mit eher kleineren Ritzeln - also zum Beispiel eine Standard-Kurbel mit 53/39 Zähnen und eine sportliche 11-28-Kassette. Wer eher kraftsparend mit hoher Trittfrequenz pedaliert und auch lange Bergetappen fahren will, wählt möglichst kleine Kettenblätter mit wenig Zähnen und eine Kassette mit möglichst vielen Zähnen am größten Ritzel - also als leichteste Option eine Kompakt-Kurbel 50/34 und dazu eine Kassette mit 11-34er-Ritzeln. 

Die wichtigere Entscheidung ist immer, welche Kettenblätter die Kurbel haben soll. Denn die Kettenblätter geben quasi die Grundausrichtung der Übersetzung vor: eher große Kettenblätter für sportliche Fahrer, eher kleine Kettenblätter für weniger starke Fahrer. Außerdem lässt sich die Kassette mit recht geringem Aufwand und überschaubaren Kosten tauschen, um die Übersetzung noch an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Bei den Profis ist es üblich, dass je nach Höhenprofil einer Etappe die Übersetzung angepasst wird - siehe dazu das Interview mit dem Head-Mechaniker Risto Usin vom Team Bora Hansgrohe am Ende des Artikels.

Wie ändere ich die Übersetzung an meinem Rennrad?

Bei jedem Rennrad-Typ gibt es gewisse Standardübersetzungen, welche die Rad-Hersteller basierend ihrer Erfahrung als passend für den Einsatzbereich festgelegt haben. So haben Rennräder für Einsteiger oder für Touren in der Regel schon ab Werk einfachere Übersetzungen montiert, profitaugliche Top-Rennräder rollen in der Regel auch mit schwereren, sportlichen Übersetzungen in die Bikeshops.

Einsteiger oder ungeübte Fahrer sollten vor dem Kauf eines Rades auf eine leichte Übersetzung achten, also kleine Kettenblätter und eine Kassette mit großen Ritzeln. Dann heißt es, erstmal ein paar kürzere Touren mit dem neuen Rennrad zu fahren um herauszufinden, ob die Übersetzung zum eigenen Fahrstil, der Kondition und Kraft passt. Wenn nicht, kann sie nach Bedarf geändert werden.

Alle Schaltungen von SHIMANO lassen sich umrüsten, doch es gibt Einschränkungen. Die einfachste und günstigste Option ist der Wechsel auf eine Kassette mit größeren Ritzeln, also zum Beispiel ein größtes Ritzel mit 32 oder 34 Zähnen. Aber Obacht: Bei älteren Schaltgruppen muss dann meist auch das Schaltwerk getauscht und die Kettenlänge angepasst werden, weil der Käfig älterer Schaltwerke nur eine bestimmte Anzahl an Ritzeln verarbeiten kann.

Denn nicht jedes Schaltwerk kann alle Kombinationen von Zähnen am Kettenblatt und der Kassette verarbeiten. Man spricht hier von der Kapazität, die sich so errechnet: Zähne großes Kettenblatt (Kurbel) – Zähne kleines Kettenblatt (Kurbel) + Zähne größtes Ritzel (Kassette) – Zähne kleinstes Ritzel (Kassette). Also zum Beispiel: 53-39 + 28-11 = 31

Schaltwerke mit kurzem Käfig erkennt man am Zusatz SS, mit mittellangem Käfig am Zusatz GS. Je nach Modellreihe variiert die Kapazität, hier sollte man also vor dem Wechsel der Kassette prüfen, ob auch das Schaltwerk getauscht werden muss. Oder im Zweifel den kompetenten Fachhändler fragen.

Entfaltung: Was ist das jetzt schon wieder?

Um herauszufinden, welche Auswirkung eine bestimmte Übersetzung hat, hilft ein Blick auf die Entfaltung. Sie sagt aus, wie viel Weg man pro Kurbelumdrehung bei einer bestimmten Übersetzung zurücklegt. Dafür multipliziert man den Radumfang mit der reinen Übersetzung (Quotient aus Zähnen von Kettenblatt und Ritzel). Generell kann man sagen, dass Gänge mit einer Entfaltung von weniger als 2,5 m besonders bergtauglich sind. Entfaltungen im Bereich von 5 m sind besonders gut für leicht wellige Regionen, während im Flachland rund 7 m Entfaltung bevorzugt werden. Die restlichen Entfaltungen über 7 m sind für sehr sportliche Fahrer oder Bergabfahrten interessant.

Fazit

Die richtige Übersetzung, also die passende Größe der Kettenblätter und der Ritzel an der Kassette, sind eine recht individuelle Sache. Wer mit viel Kraft und eher niedriger Trittfrequenz oder im eher flachen Gelände unterwegs ist, fährt mit eher großen Kettenblättern (also beispielsweise einer Standard-Kurbel 53/39) und einer Kassette mit kleinen Ritzeln (z.B. 11-28). Wer mit hoher Trittfrequenz und weniger Kraft fährt und auch mal gerne in Angriff nimmt, fährt mit kleinen Kettenblättern (also einer Kompakt-Kurbel 50/34) und einer Kassette mit möglichst vielen Zähnen am größten Ritzel (11-34). 

Neue Rennräder sind meist schon mit einer zum Einsatzbereich passenden Übersetzung bestückt. Passt einem die Übersetzung nicht, lässt sie sich nachträglich ändern. Recht einfach und günstig ist der Tausch der Kassette, etwas aufwendiger und teurer ist der Wechsel der Kettenblätter an der Kurbel. Keine Angst: im Zweifel hilft der Fachhändler beim Umbau. Die Zeiten, in der sich jeder mit einer profimäßigen Übersetzung quälen musste, sind lange vorbei.

Wir fragen Profis: Risto Usin von BORA Hansgrohe

Der Chef-Mechaniker Risto Usin vom Team BORA - hansgrohe verrät, mit welcher Übersetzung die Profis unterwegs sind.

Mit welchen Übersetzungen fahren die Profis aus deinem Team?

Die Standard-Übersetzung ist eigentlich 54/39 vorne an der Kurbel und 11-30 hinten. Bei Bergetappen kann man auch auf eine 11-34 Kassette gehen. 

Fahren die Profis immer die Standard-Kurbel? Oder steigen sie auch mal auf Kompakt um?

Gibt es besonders steile Abschnitte, wie zum Beispiel am Monte Zoncolan, gehen Fahrer wie Emanuel Buchmann manchmal auch vorne auf ein 36er oder sogar 34er Kettenblatt. Im Sprint ändert man dann je nach Terrain und Wind entsprechend das große Kettenblatt auf 55 Zähne. In manchen Fällen kettet Sam Bennett sogar ein 56er.

Und bei den Frühjahrsklassikern, was wird da gefahren - das ist ja fast schon wie ein Cross- oder Gravel-Rennen?

Paris Roubaix ist in jeder Hinsicht ein ganz spezielles Rennen. Da es so gut wie keine Steigungen gibt, wählt man eher Kettenblätter, die weniger Abstufung haben. Nils Politt fährt da zum Beispiel 54/46.

Zur Information: BORA-hansgrohe nutzt wie andere Profi-Teams gelegentlich Übersetzungen, die so nicht offiziell von SHIMANO freigegeben sind. Wir empfehlen grundsätzlich, ausschließlich die offiziell freigegebenen Übersetzungen und Spezifikationen einzusetzen. Mehr Informationen dazu unter si.shimano.com.

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