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Dass die deutsche Radsport-Meisterschaft 2023 in Donaueschingen und Bad Dürrheim stattfand, ist nicht unpassend. Denn die Region um Freiburg, ganz im Südwesten der Republik, ist bekannt für ihre große Radsportbegeisterung. Das zeigte sich schon 2022 bei einer Etappe der Deutschlandtour bei Freiburg hinauf auf den Schauinsland und bestätigte sich auch jetzt wieder. 

Doch die Menschen in der Region sind nicht nur Radsport-Fans, sondern fahren auch selbst aktiv Fahrrad. So sah man am Streckenrand sehr viele Zuschauer, die selbst mit dem Rennrad oder E-Bike gekommen waren und sich das Spektakel aus nächster Nähe anschauten. Auch der „Schachclub“, die Fans des BORA - hansgrohe Fahrers Maximilian Schachmann, hatte sich am Fuße der Bergwertung platziert.

Doch wie haben wir die deutschen Meisterschaften verfolgt? Wie konnten wir diese Stimmung an der Strecke miterleben?

Mein Kollege und ich von Paul Lange & Co. (dem deutschen Vertrieb von SHIMANO-Komponenten) hatten in diesem Jahr eine besondere Möglichkeit: Wir durften der deutschen Meisterschaft sogar gleich zwei Mal beiwohnen: Einmal beim Zeitfahren, das freitags stattfand, und einmal beim Straßenrennen am Sonntag. Beide Male waren wir im Teamwagen von Team Lotto Kern-Haus mit dem Team-Manager Florian "Monni" Monreal unterwegs.

Das Team Lotto Kern-Haus spielt im deutschen Radsport eine besondere Rolle. Schon seit neun Jahren fördert das Team deutsche Nachwuchsfahrer. Mit Erfolg, denn zahlreiche ehemalige Fahrer sind mittlerweile auf aller höchstem Niveau unterwegs. Max Walscheid, Jonas Rutsch und zuletzt Kim Heiduk sind nur einige der prominenten Namen, die mittlerweile bei UCI World Teams fahren.

Gemeinsam mit dem Team Tirol KTM Cycling Team gibt es seit diesem Jahr eine Kooperation mit dem Team BORA - hansgrohe. Alle Teams bleiben eigenständig, arbeiten aber bei der Nachwuchsarbeit so zusammen, dass einige Fahrer auch höherklassig untergebracht werden können. Das heißt, wenn jemand erfolgreich ist, hat er unter Umständen die Chance einen Profi-Vertrag bei BORA - hansgrohe zu bekommen.

Bei der deutschen Meisterschaft wäre ein Sieg des Teams Lotto Kern-Haus allerdings eine große Überraschung gewesen, da das Team um BORA - hansgrohe die deutschen Meisterschaften in den letzten Jahren dominiert hat. Als Ziel für seine Fahrer hatte Florian Monreal daher einen Platz unter den Top 10 als realistisch angesehen.

Große Radsport-Atmosphäre in Donaueschingen und Bad Dürrheim

Man merkt es: Nicht nur das Radfahren ist „in“, sondern auch der Radsport. Gerade die diesjährige Tour de France hat gezeigt, dass die Fans wieder in Scharen an die Rennstrecken kommen. Auch in Donaueschingen und Bad Dürrheim war die Stimmung herausragend.

Gerade vom Teamfahrzeug aus spürte man diese tolle Atmosphäre. Besonders bei der Bergwertung in Öfingen war sehr viel los und natürlich auch am Ziel-Einlauf in Bad Dürrheim. Für die besondere Atmosphäre hatte sich der Rennveranstalter sogenannte Fanzonen ausgedacht. Dort war eine besondere Stimmung, was die Fahrer zusätzlich motivieren sollte – und auch tat.

Die Fans jubelten jedem Fahrer zu, egal ob Wasserträger oder Spitzenfahrer. Das ist das Besondere am Radsport: Man ist nicht nur Fan von einem Fahrer oder einem Team. Es geht auch um die Leistung an sich, die von den Zuschauern am Streckenrand goutiert wird.

Durchgetaktet und doch improvisiert

Der Radsport schwankt immer zwischen sehr klaren Regeln, zu denen ein ausgefeiltes Reglement und auch viele ungeschriebene Gesetze gehören, und dem Spontanen, der Improvisation.

Im Straßenrennen am Sonntag gab es schon früh im Rennen eine solche Situation, in der sehr spontan und kurzfristig reagiert werden musste. Kurz nach dem neutralen Start, hatte sich auf dem Rundkurs eine zehnköpfige Ausreißer-Gruppe gebildet. Auch Team Lotto Kern-Haus war mit seinem Fahrer Luca Dreßler vertreten. Doch in Aasen bog das vorausfahrende Kamera-Motorrad falsch ab und die Fahrer der Gruppe folgten diesem, während das kurz darauf heraneilende Hauptfeld den richtigen Weg nahm.

Eine kuriose Situation, denn für die Fahrer der Spitzengruppe hätte das eine Abkürzung von fast 20 Kilometern bedeutet. Erstmal herrschte Unklarheit, wie es weitergehen sollte. Teamchef Flo Monreal fuhr vor zum Auto der Jury und wollte geklärt haben, wie man mit dieser Situation umgehen wollte. Nach kurzer Beratung gab es einen Kompromiss: Die falsch abgebogenen Fahrer würden im Rennen bleiben und  sollten wieder ans Hauptfeld herangeführt werden. Ihren herausgefahrenen Vorsprung würden sie aber einbüßen. Eine schwierige Situation für die Jury, aber auch für die Teams und die Fahrer. Die Jury entschied sich für diese Option, weil die Alternative, ein kompletter Neustart des Rennens, weitaus aufwendiger gewesen wäre.

Nachdem die Fahrer an der Verpflegungsstation wieder zusammengeführt wurden, konnte es in geregelten Bahnen weitergehen. Doch so hatte das Rennen schon früh seinen ersten Aufreger. Das Reglement wurde hier etwas ausgedehnt. Auch bei großen Veranstaltungen wie einer Deutschen Meisterschaft muss bisweilen improvisiert werden.

Das Spannende an so einer Fahrt im Teamfahrzeug ist: Lange Zeit passiert oft nichts, was für den Mechaniker relevant ist. Es werden ein paar Flaschen gereicht, ein bisschen Verpflegung übergeben. Doch wenn etwas passiert, dann muss es fix gehen. Im Fond des Fahrzeugs von Flo Monreal saß der Fahrradmechaniker Niklas "Strunki" Strunk, der eine Liste von Fahrern hatte, die heute betreut werden sollten.

Denn das zweite Fahrzeug vom Team Lotto Kern-Haus unterstützte die Fahrer, die ohne komplettes Team bei der deutschen Meisterschaft teilnahmen. Dazu gehören vor allem Fahrer, die in nicht-deutschen Teams fahren und eben dort als deutscher Fahrer alleine sind, beispielsweise Max Walscheid (Team Cofidis) und Rick Zabel (Team Israel-Premier Tech).

Der Fahrradmechaniker hinten im Teamfahrzeug hatte aber einen eher ruhigen Tag. Von der Liste der Fahrer hatte zum Glück niemand einen Defekt oder einen Platten.

Der Rennverlauf des Straßenrennens

Nach dem ersten Fauxpas mit den falsch abgebogenen Fahrern ging es flott weiter. Auf dem anspruchsvollen Kurs wurde recht schnell gefahren. Auch Flo Monreal rechnete mit einem Ausscheidungsfahren auf den 215 Kilometern. Acht Runden mussten auf dem Rundkurs absolviert werden.

Die Frage, die sich viele stellten: Gewinnt wieder jemand aus dem vermeintlich überlegenen Team BORA - hansgrohe rund um Titelverteidiger Nils Politt oder haben andere Fahrer eine Chance? In den letzten Jahren war letzteres nur einmal der Fall.

70 Kilometer vor dem Ziel war Emanuel Buchmann aus dem BORA – hansgrohe Team, Vierter der Tour de France 2019 und Siebtplatzierter beim Giro d’Italia 2022, auf einmal alleine an der Spitze. Selbst sein Kollege Jonas Koch konnte mit seinem rasanten Tempo nicht mehr mithalten. Flo Monreal sprach aus dem Teamfahrzeug mit Jens Zemke, dem Betreuer des BORA – hansgrohe Teams, und beide hatten ihre Zweifel, ob „Emu“ wirklich durchkommen würde. Doch Buchmann überraschte alle und holte sich souverän und solo den Titel. Er war an diesem Tag so gut drauf, so dass er zum zweiten Mal in seiner Karriere ins Trikot des deutschen Meisters fuhr.

Für das Team Lotto Kern-Haus ging es jetzt um die Top 10 Platzierung. Zwei Fahrer schafften es immerhin in die Gruppe um Platz 2: Pierre-Pascal Keup und Jakob Geßner. „Ihr macht das super, ihr zwei. Versucht etwas weiter vorne zu fahren.“ rief Flo Monreal ihnen zu. Wahrscheinlich ist das einfacher gesagt, als in der Tat umgesetzt. Jakob Geßner allerdings konnte später in der Gruppe nicht mehr mithalten.

Dann wurde es hektisch. Pierre-Pascal Keup, der noch in der vorderen Gruppe war, hatte einen Defekt an der Bremsscheibe. Es war die vorletzte Runde vor dem Ziel. In dieser Phase des Rennens war das höchst ärgerlich, da es danach unmöglich war, in die erste Gruppe hinter Emanuel Buchmann zurückzukommen.

Der Defekt wurde von dem anderen Teamfahrzeug von Lotto Kern-Haus zwar in Rekordzeit behoben, aber dennoch musste sich Keup anschließend durch den Auto-Konvoi wieder nach vorne kämpfen: An eine Top 10 Platzierung war nicht mehr zu denken, er überquerte als 21. die Ziellinie.

Fazit: Die deutsche Meisterschaft aus Sicht des Autos von Lotto Kern-Haus

Am Ende war es eine gelungene deutsche Meisterschaft, mit einem nicht ganz so optimalen Ergebnis für Lotto Kern-Haus. Radsport bedeutet auch manchmal Pech. Die Rennen werden heute so hart und schnell gefahren: Da wartet keiner.

Mit dem Dreifachsieg war es natürlich ein durchschlagender Erfolg für BORA - hansgrohe. Neben dem erstplatzierten Buchmann, machten Nico Denz und Maximilian Schachmann den Dreifach-Erfolg perfekt. Der Einsatz des „Schachclubs“ hatte sich also gelohnt!

Zudem war die Stimmung astrein und viele lobten den Veranstalter, auch Flo Monreal war begeistert was im radsportverrückten Südwesten so alles auf die Beine gestellt wird!

Der Auftakt der Deutschen Meisterschaften: Das Zeitfahren

Bereits am Freitag fanden die deutschen Meisterschaften im Einzelzeitfahren statt. Von Donaueschingen ging es für die Fahrerinnen und Fahrer über 32,2 wellige Kilometer nach Bad Dürrheim. Auch bei diesem Wettbewerb hatten wir die Möglichkeit, im Fahrzeug vom Team Lotto Kern-Haus hautnah dabei zu sein.

Ein Zeitfahrwettbewerb hat selbstverständlich einen ganz anderen Charakter als ein Straßenrennen. Die Fahrer haben die Strecke für sich alleine und kämpfen nicht gegen die Konkurrenz, sondern gegen die Uhr. Umso wichtiger, dass der Team-Manager mit dem Fahrer auf der Strecke in engem Kontakt steht und ihm nicht nur Zwischenzeiten durchgibt, sondern auch Anweisungen gibt, welche Streckenabschnitte vor ihm liegen und wie er diese zu fahren hat. Ein großer Unterschied zum Straßenrennen: Beim Zeitfahren ist der Funkkontakt erlaubt, während das beim Rennen untersagt ist. 

Jede Sekunde zählt – nicht nur für die Athleten

„Scharfe Rechtskurve, raus auf dem Auflieger“, „Immer geradeaus, rechts halten!“ oder „Du liegst super in der Zeit, gib alles!“ sind typische Kommandos von Teamchef Florian Monreal, während seine Fahrer über die Strecke jagen. Die Begleitung der Fahrer mit insgesamt drei Teamfahrzeugen ist dabei eine logistische Meisterleistung und nicht nur bei den Fahrer zählt jede Sekunde. Denn sobald das Teamfahrzeug kurz vor dem Ziel in Bad Dürrheim von der Strecke abgebogen ist, geht es so schnell wie möglich zurück zur Startrampe in Donaueschingen, um den nächsten Fahrer zu begleiten. 

Dass das immer funktioniert, grenzt für einen Außenstehenden an ein Wunder. Denn in der engen Innenstadt von Donaueschingen reiht sich ein Teamfahrzeug ans nächste, um mit den Fahrern auf die Strecke zu gehen. Alles wirkt chaotisch, die Fahrer der verschiedenen Teamfahrzeuge rufen sich die Startzeiten ihrer Fahrer zu, um die Reihenfolge ihrer Autos zu koordinieren. Aber tatsächlich funktioniert alles reibungslos. Chaos mit System.

Der Kampf um die Medaillen

Die jungen Fahrer des Teams Lotto Kern-Haus starten in der U23-Wertung und einen der aussichtsreichsten Kandidaten für eine gute Platzierung begleiten wir mit unserem Auto. Und tatsächlich: Ole Theiler liegt bei der zweiten Zwischenzeit ganz vorne. Doch es ist knapp: Gerade mal 1,7 Sekunden trennen Platz 1 und Platz 3.

Zu Beginn des Zeitfahrens hieß es noch: „Meist ist das ein ruhige Angelegenheit im Auto und nicht so spannend.“ Davon ist am späten Freitagnachmittag nichts mehr zu spüren, denn Ole Theiler ist schnell unterwegs und fährt sogar zu dem Fahrer auf, der zwei Minuten vor ihm auf die Strecke ging. Eine heikle Situation, denn er muss ihn überholen, ohne dessen Windschatten zu nutzen. Das gelingt unter den strengen Augen der Jury. Während Teamchef Monreal die Zwischenzeiten durchgibt, blicken die anderen im Auto gespannt auf die Smartphones, wo die Zeiten der Konkurrenten in Echtzeit erscheinen. Nach 23,3 Kilometern ist es tatsächlich noch knapper geworden: Die ersten drei Fahrer liegen alle innerhalb einer Sekunde!

Auf den letzten neun Kilometern büßt der Fahrer vom Team Lotto Kern-Haus Zeit ein, belohnt sich für seine starke Leistung aber mit der Bronzemedaille. Um seine Leistung zu verdeutlichen: Die 41 Minuten und drei Sekunden, die Ole Theiler für die 32,2 Kilometer benötigte, entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 47 km/h!

Noch schneller sind nur die Favoriten in der Kategorie „Elite Men“ unterwegs. In Bad Dürrheim ist Nils Politt der beste von ihnen. Der deutsche Meister im Straßenrennen von 2022 holt sich den Zeitfahrtitel 2023 mit einer Zeit von 38:52 Minuten! Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von sensationellen 49,7 km/h

Auch ohne Peloton und Mechanikereinsätze: Der Freitagnachmittag im Teamfahrzeug von Lotto Kern-Haus hätte nicht spannender sein können. Am Ende ist klar: Nicht nur die Athleten auf ihren Fahrrädern vollbringen Höchstleistungen, sondern auch die Crew dahinter. Radsport ist Teamwork!

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