Cyclocross ist ohne Frage eine Nische. Aber eine Nische, die es in sich hat. Nicht umsonst fahren Stars des internationalen Radsports wie Mathieu van der Poel, Tadej Pogačar oder Wout van Aert regelmäßig bei Cyclocross-Rennen mit und haben dort einen Teil ihrer Härte und vor allem ihre technischen Fähigkeiten erlernt.
„Der Querfeldeinsport“, ist sich Cyclocross-Urgestein Jens Schwedler sicher, „gehört zur Ausbildung eines Radfahrers dazu.“ Wer einmal richtig Cross gelernt hat, stürzt nicht mehr so oft, kann schneller abfahren und sitzt insgesamt viel sicherer auf dem Rad. Fahrtechnik zu erlernen kann ungemein wichtig sein für eine spätere Radlaufbahn.
Doch man muss ehrlich sein: In Deutschland hat es der Cyclocross-Sport (oder klassisch ausgedrückt Querfeldeinradfahren) eher schwer. Viele junge Fahrer sollen sich am Ende des Beginns ihrer Karriere entscheiden, ob sie auf die Straße wollen oder richtig ins Cyclocross-Geschäft einsteigen möchten. Dabei ergänzen sich beide Disziplinen nicht nur von den Fähigkeiten ungemein, sondern vor allem zeitlich: Die Straßensaison hat einen Zeitraum von März bis Oktober, während die Cyclocross-Saison im Oktober (manchmal auch im September) beginnt und im Februar endet. In dieser Zeit messen sich die Größten auf dem Feldweg, im Matsch, über Hürden, Stock und Stein und manchmal sogar auch im Schnee. Man könnte Cyclocross und Straßenradsport so ziemlich gut miteinander kombinieren.


Marcel Meisen ist ein gutes Beispiel dafür. Der Cyclocross-Fahrer fährt heute für das STEVENS Racing Team und ist 7-maliger deutscher Cyclocross-Meister. Nur 2023 hat es nicht geklappt. Er war nicht ganz fit und verpasste den Sieg am Ende um 38 Sekunden gegenüber Sascha Weber.
Doch Marcel Meisen ist nicht nur im Cross-Sport aktiv. Immerhin hat er es 2020 geschafft, Deutscher Meister zu werden – und das gegenüber allen Fahrern des favorisierten BORA - hansgrohe Teams. Dieser Erfolg war sein größter auf der Straße.
Im Cyclocross ist er auf nationaler Ebene dagegen den Erfolg eher gewohnt. Er freut sich über jede deutsche Meisterschaft und hat vor, den Titel im Januar 2024 zurückzuholen. Doch die „Musik“ spielt international nicht in Deutschland. Die absolute Cyclocross-Nation ist Belgien, genauer gesagt ist es die Region Flandern, wo einige der wichtigsten internationalen Rennen ausgetragen werden.
Dort sind auch die verrücktesten Cyclocross-Fans weltweit anzutreffen. Andere Schwerpunkt-Länder des Cyclocross sind noch die Niederlande und die Schweiz. Unser SHIMANO Team hat 2020 der Schweiz ein Cyclocross-Rennen-Besuch abgestattet: Wie wird man ein richtiger Cyclocross-Fan? Die beiden Mädels wissen es jetzt!
Eins ist vollkommen klar: Auch wenn Marcel Meisen schon öfters Deutscher Meister war, schielt er auf internationale Rennen. Dort aber ist die Konkurrenz groß, was man schon an großen Namen wie Mathieu van der Poel oder Wout van Aert nachvollziehen kann, die oft die ersten beiden Plätze unter sich ausmachen.
Bei Weltmeisterschaften schaffte es Marcel Meisen immerhin auf Platz 8 und 10 (2015 & 2016).
39 Medaillen hat er bei internationalen Rennen schon gewonnen. Die deutschen Rennen, die nicht Teil des UCI-Rennkalenders sind, sind da noch gar nicht eingerechnet.

Cyclocross & Gravel im Vergleich
Marcel Meisen fährt seit 2022 für das STEVENS Racing Team. Das Werksteam ist schon seit 2002 im Cyclocross aktiv. Seit Jahren hat man bei STEVENS einen klaren Fokus auf Cyclocross. Das Flaggschiff-Modell ist das Super Prestige, das es auch mit diversen SHIMANO Schaltungen und Gruppen gibt.
Inzwischen stellt STEVENS jedoch auch Gravelbikes her, diese Nische wird immer größer, sie wächst stark. Vielleicht wird man hier in einigen Jahre schon gar nicht mehr von einer Nische sprechen, da das Gravelbike als schnelles „Rad für alles“, nicht nur für die Lagerfeuer-Gravel-Tour, sondern auch für die schnelle Eisdielen-Runde oder die Fahrt zur Arbeit verwendet wird.
Doch die ursprüngliche Leidenschaft und Spezialität von STEVENS bleiben die Cyclocross-Räder. Diese unterscheiden sich von Gravelbikes dadurch, dass die Reifenbreiten UCI-konform auf 33-Millimeter beschränkt sind, eine aggressivere Geometrie haben und einen weniger breiten Lenker. Aufnahmepunkte für Gepäcktaschen findet man an den race-orientierten Cyclocross-Rädern nicht.
„Crossräder und Gravelbikes sind schon nah beieinander.“ so Marcel Meisen. 2023 ist er mit dem STEVENS Super Prestige bei einem Gravelrennen mitgefahren. Andersherum wäre das natürlich nicht gegangen, da Gravelbikes mit Reifenbreiten von beispielsweise 40 Millimetern für Cyclocross-Rennen nicht zugelassen sind.
Gleichzeitig ist Marcel Meisen mit seinem Cyclocrosser schon so angesprochen worden: „Das ist aber ein cooles Aero-Rennrad.“ „Nein, das ist mein Crossrad.“ Wenn man also nicht gerade Profi-Straßenrennen fährt, reicht laut Marcel auch ein gutes Crossrad aus, um auf der Straße zu fahren.
Insofern kann man fragen: Ist das Cyclocross-Rad mit seinen Eigenschaften zwischen Gravelbike und Rennrad das perfektere und flexiblere Rad? Für einen race-orientierten Fahrer kann das durchaus stimmen!
Wer mehr zu den Unterschieden zwischen Cyclocross-Bikes und Gravelbikes erfahren möchte, der lese diesen ausführlichen Artikel dazu auf der SHIMANO Gravel-Webseite.

Als junger Radsportler zum Cyclocross: Team STEVENS & die Nachwuchsarbeit
Wie gelangt man als junger Mensch eigentlich zum Cyclocross-Sport, fragen wir Marcel Meisen.
„Bei mir kommt das durch die Familie, durch den Vater. Bei fast allen läuft das über die Familie, da es in Deutschland recht wenige Vereine gibt, die es schaffen, Cyclocross-Fahrer zu betreuen.“
An dieser Stelle ist die Unterstützung durch das Cyclocross-Team von STEVENS (STEVENS Racing Team) in Hamburg durchaus eine Ausnahme. Insgesamt gibt es jedoch noch zu wenige Trainer oder aktive Sportler, die sich an die Ausbildung von jungen Sportlern im Bereich Cyclocross wagen. Als Cyclocross-Trainer muss man von der Ausbildung und Erfahrung her selbst vom Cross kommen. Beispielsweise gibt es in Deutschland sehr gute Bahnradsport-Trainer, die aber ohne die Erfahrung von Fahrtechniken und Co. nicht einfach zum Cross wechseln können.
Insofern sind die Möglichkeiten in Deutschland als junger Fahrer noch etwas eingeschränkt. Dazu kommt, dass vielen Nachwuchssportlern gesagt wird, dass sie im Winter kein Cyclocross fahren sollten, sondern Grundlagenausdauertraining für die Straße. Das schränkt die Möglichkeiten für potentielle Talente hierzulande ein, während es in Belgien sogar gefördert wird, wenn man Cyclocross-Rennen fährt.
Heute kommen die meisten Nachwuchsfahrer aus Sportschulen, bei den Junioren-Rennen sind aber oft nur 20 Fahrer am Start. Allerdings ist der weitere Weg dann schwierig, da es zu wenig Teams gibt. Als Cyclocross-Fahrer, der zwar gut fährt, aber keine Kontakte hat, wird es dann aber schwierig seine Karriere fortzusetzen.
In Hamburg, wo das STEVENS Racing Team seine Heimat hat, ist das immerhin etwas anders. Nachwuchsfahrer können hier auf eine gute Infrastruktur setzen. Da STEVENS auch selbst eine lange Tradition im Cross-Bereich hat und dabei mit SHIMANO bezüglich der Komponenten und Gruppen zusammenarbeitet, haben die Nachwuchssportler immer eine gute Ausstattung.
Der Erfolg wird durch unzählige Titel belegt. Bei den meisten Rennen ist ein STEVENS Fahrer auf dem Treppchen. „Allein bei deutschen Titelkämpfen holten STEVENS Fahrern insgesamt 38 Gold-, 29 Silber- und 20 Bronzemedaillen“, kann man auf der Webseite lesen. Insgesamt spricht Jens Schwedler von rund 120 Medaillen im Querfeldeinradsport seit 2002. In dieser Konstanz ist kein Team so erfolgreich wie STEVENS.
„STEVENS erkennt Talente und gute Typen“, meint Schwedler zudem und erinnert daran, dass Wout van Aert seine Karriere auf einem STEVENS Rad begonnen hat und Mathieu van der Pool mit dem Super Prestige alle seine Titel gewonnen hat.
Dabei betont er auch die Zusammenarbeit mit und die Zuverlässigkeit von SHIMANO. Er hätte in 22 Jahren noch nie einen Ausfall gehabt in puncto Material. „Fahr SHIMANO und du kommst ins Ziel“, so die Erfahrung vom Teamchef.

How to Cross?
Bleibt die Frage, wie soll man eigentlich mit dem Crossrad anfangen? Welche Techniken muss man unbedingt können, um auf den anspruchsvollen Rundkursen bestehen zu können?
Die absolute Top-Fähigkeit, die jeder Cross-Fahrer lernen muss, ist die Technik vom Rad abzuspringen und wieder aufzuspringen. Diese Fähigkeit kann und muss man in verschiedenen Situationen einsetzen, beispielsweise, wenn man an schwierigen Hürden vorbei, Sand- oder Schlammpassagen überspringen oder auch Treppen überwinden muss. Wer das beherrscht, kann im Rennen unheimlich viel Zeit einsparen.
Natürlich gibt es weitere Techniken, wie richtig Kurven durch den Sand oder den Schlamm fahren, wie den Bunnyhop oder mit wechselnden Geländearten umzugehen. Jeder Cyclocrosser braucht jedenfalls ein hohes Maß an Radbeherrschung.
Aber das allerwichtigste, das ist die starke Message von Marcel Meisen, dass es Spaß macht: „Hauptsache, du kommst nach einer Stunde aus dem Wald zurück und sagst: Das hat Spaß gemacht. Dann war das auch ein gutes Training.“
Dadurch lernt man zu spüren, wie man diesen Absprung durchführt oder wie man diese Kurve fährt etc.
Marcel hat zudem den Vorteil, dass er durch seinen Vater inspiriert, schon mit 5 Jahren in kleinen Schritten mit dem Cross angefangen hat. Damals ging es natürlich nicht um professionelles Training, sondern darum, dass er es einfach mal probiert neben dem Weg zu fahren, mal diese Hürde, diesen kurzen Trail zu testen.
Hat man einmal die Techniken erlernt, verlernt man sie so schnell nicht mehr. Neben der Technik heißt es dann aber: Fahren, fahren, fahren. Denn das entscheidende ist zu 80 Prozent die Physis, die man aufs Rad bringt.
Zur Inspiration stellen wir ein paar Videos vor, die zeigen wie man Crossfahren lernen kann:


Teamtraining mit STEVENS: Vorbereitung auf die Cross-Saison 2023/24
Im September fand das Team-Trainingslager des STEVENS Racing Team statt. Passenderweise in Herentals in Belgien, wo sehr viele Cross-Fahrer herkommen und es den legendären Sven-Nys-Hügel gibt. Der ist benannt nach dem legendären belgischen Cyclocross-Profi Nys, der auf diesem Berg immer Intervalle hochgefahren ist.
Das Besondere an dieser Region ist, dass es einen speziell mit Steinen ausgeschilderten Cyclocross-Radweg gibt. Das ist eine offizielle Rennstrecke, die den race-orientierten Radfahrern vorbehalten ist. Insofern ist das eine optimale Strecke, um zu trainieren.
Solche ausgeschilderten Cyclocross-Strecken gibt es nur in den Niederlanden und in Belgien, in Deutschland hat man so etwas nicht. „Das ist natürlich gigantisch zum Cross trainieren“, so Jens Schwedler.
Doch was trainiert man in so einem Trainingslager? Im Grunde besteht das Ganze aus drei Einheiten:
- Grundlage
- Intervalle
- Motortraining (4 Fahrer fahren hier hinter einem Motorroller hinterher)
Kerngedanke beim Motortraining ist die Trittfrequenz. Dann gibt es das Rundentraining, bei dem die Fahrer maximale Intensität fahren, um fit zu sein für die harten Rennen. Denn der Start eines Cyclocross-Rennens ist so wie das Ende einer Sprintetappe bei der Tour de France oder einer anderen Grand Tour – da muss man hellwach sein.
Insgesamt sind die Rennen über die Jahre immer härter gewonnen, stellt Marcel Meisen fest. Früher ist man die erste Runde schnell gefahren, hat dann etwas rausgenommen und war am Ende wieder schnell. Doch das hat sich geändert, auch durch Stars wie van der Poel und van Aert. Heute wird gleich „all-in“ gefahren und die letzte Runde ist oft noch schneller als die erste Runde.
„Das Besondere am Querfeldeinsport ist, oberhalb des Limits zu sein und dann auch noch technisch sauber zu fahren“, so Jens Schwedler. Wir haben es also mit einer recht anspruchsvollen Raddisziplin zu tun. Während im Mountainbike-Bereich die Federgabel einiges absorbiert, werden im Crossbereich die Gegebenheiten des Untergrunds 1:1 wiedergegeben.
Das kann sogar bei manchen Fahrern am Anfang der Saison zu Rückenproblemen führen, was schlicht daran liegt, dass die Rennen so hart geworden sind. Man fährt eben nicht wie im Gravelbereich viel geradeaus, sondern hat auch mal eine Runde mit 40 Kurven.
10 Tage lang ging das Trainingslager und neben dem intensiven Training standen hier auch der Spaß und der Teamgedanke im Vordergrund. Die Meisten sind eben nicht wie Marcel Meisen Profi, sondern sie nutzen ihre Ferien oder ihren Urlaub für das Trainingslager. Also muss auch der Spaß im Vordergrund stehen, was in Herentals definitiv der Fall war.
Auch für Marcel Meisen selbst ist so ein Trainingslager eine willkommene Abwechslung. Er wohnt zwar in Stolberg, was unweit der belgischen Grenze liegt. So hat er es nicht weit zu vielen der internationalen Rennen. Aber in der Regel trainiert er alleine, und er hat keine Trainingsgruppe.
Das wäre, wenn er in Hamburg wohnen würde anders, wo das STEVENS Racing Team beheimatet ist. Anders als man es erwarten würde, gibt es dort viele Möglichkeiten, um Cross zu trainieren. „Wir haben in Hamburg gigantisches Crossgelände“, ist Jens Schwedler überzeugt.

Der Cyclocross-Sport: Ein Fazit
Welches Fazit kann man zu dieser besonderen und spannenden Raddisziplin ziehen? Jens Schwedler sowie Marcel Meisen werden sie jedenfalls weiterhin mit viel Spaß und Disziplin verfolgen.
„Die Popularität des Cyclocross-Sports ist ungebrochen“, ist sich Jens Schwedler sicher. Vorteil ist vor allem, dass man viel weniger trainieren muss als beim klassischen Straßenradsport.
Was sicherlich die Popularität weiter anheizen wird, sind die UCI Masters-Weltmeisterschaften 2023 in Hamburg vom 1. bis 3. Dezember. Als Jens Schwedler das Training freigab war vom 12-jährigen bis zum 72-jährigen alles dabei.
Inzwischen gibt es auch sechs bis sieben internationale Rennen in Deutschland.
Dazu kommen die medialen Möglichkeiten: „Cross-Sport ist viel, viel besser medial aufgestellt, als das vor fünf bis acht Jahren der Fall war“, so Jens Schwedler. Das liegt auch am Internet, aber auch Eurosport macht hier viel mehr. „Das zeigen auch die Einschaltquoten in Belgien und in den Niederlanden, wie viele Millionen da tatsächlich vor dem Fernseher sitzen.“
Eigentlich hat der Cross-Sport gutes mediales Potential. Schwedler weiter: „Was gibt es Geileres, als eine Stunde vorm Fernseher zu sitzen und ein Rennen zu sehen und dann zum Tagesrhythmus wieder überzugehen, als bei Paris-Roubaix sechs, sieben Stunden Rennen anzuschauen.“
Nach einer Stunde spektakulärem Cyclocross ist alles gesagt. Eine weitere Stunde würde die Rennen nur langweiliger machen und keinen Mehrwert bieten, was Platzierung und Leistung anbelangt.
In diese Stunde geben die modernen Crosser heute alles rein. Es wird, anders als noch vor ein paar Jahren, sofort Vollgas gefahren. Selbst wenn man nicht in den Matsch will und über Stock und Stein fahren möchte – sich mal ein Cyclocross-Rennen live anzuschauen, das lohnt sich immer!